Ladung als Quellenstärke und der Fluss eines Feldes
Inhaltsverzeichnis
Fragestellung: Feldstärke und "Feldliniendichte"
Die Fragestellung lautet:
- Wie kann man bei gegebener Verteilung der Ladung (magnetische, elektrische oder schwere) die Feldstärke an einer Stelle berechnen?
Aus unseren bisherigen Erfahrungen können wir zwei qualitative Aussagen machen:
- Je kleiner der Abstand von der Ladung, desto größer die Feldstärke.
- Je größer die felderzeugende Ladung, desto größer die Feldstärke.
Um zu einer vorläufigen Antwort zu kommen, schaut man sich die graphische Darstellung eines Zentralfeldes nochmal genau an. Vom geladenen Gegenstand gehen die Feldlinien aus und durchstoßen orthogonal die Feldflächen.
- An den Orten mit großer Feldstärke liegen die gezeichneten Linien dichter beisammen.
Wie kann man das präzisieren? Die Feldflächen haben mit zunehmendem Abstand von der Ladung einen immer größeren Flächeninhalt. Die Anzahl der sie durchdringenden Linien bleibt aber immer gleich. Als "Dichte" der Feldlinien könnte man also die "Anzahl der Linien" pro Fläche verstehen.
Stellt man sich eine Bewegung entlang der Linien vor, so fließt sie parallel zu den Linien aus der Ladung heraus durch die Flächen. Dieser "Feldfluß" ist überall gleichgroß.
- Mit größerem Abstand zur Ladung werden die Feldflächen größer und somit wird der Fluß pro Fläche, die "Flußdichte", kleiner.
Diese Interpretation der Feldlinien führt zu einem Bild, dass der Intensität einer Kreiswelle ähnelt. Im Unterschied zur Welle ist das hier betrachtete Feld aber zeitlich konstant. Der Feldfluß nur eine anschauliche Vorstellung.
Feldstärke eines Zentralfeldes
Das Zentralfeld ist besonders übersichtlich und auch leicht in einem Experiment zu realisieren. Deswegen betrachten wir erst diesen Spezialfall.
Feldstärke und Fluß
Wenn die Flußdichte oder "Feldliniendichte" ein Maß für die Feldstärke sein soll, dann muß in dem Maße wie der Inhalt der Feldfläche zunimmt, die Feldstärke abnehmen. Das soll durch eine Messung an einem Zentralfeld überprüft werden. (Wenn man die Abstandgesetze schon vermessen hat, dann weiß man es jetzt schon.)
Wie könnte die Feldstärke abnehmen?
- Antiproportional zum Radius:
Doppelter Abstand --> halbe Feldstärke - Antiproportional zum Inhalt der Feldfläche:
Doppelter Abstand (Vierfacher Flächeninhalt [math]A=4 \pi r^2[/math]) --> viertel Feldstärke
Zur Überprüfung messen wir die Kraftwirkung auf einen Probenordpol im Feld des Nordpols eines langen Stabmagneten[1]. Wir stellen fest: Verdoppelt man den Abstand der Pole und vervierfacht damit den Inhalt der Feldfläche, so verringert sich die Feldstärke auf ein Viertel!
Das Produkt aus Feldstärke und Flächeninhalt ist also für alle Feldflächen gleichgroß. Es gibt anschaulich an, "wieviele" Feldlinien durch die Fläche verlaufen und ist ein Maß für den Fluß des Feldes.
Auch für das elektrische Feld kann man diesen Zusammenhang messen und findet das gleiche Ergebnis! Für das Schwerefeld gilt dies ebenso. Schon Newton kannte diesen Zusammenhang für das Gravitationsfeld. Er ergibt sich nicht aus einer direkten Messung, sondern aus der Beobachtung der Planeten.
Die Feldstärke eines Zentralfeldes nimmt in dem Maße ab, wie der Inhalt der Feldfläche zunimmt. Der Feldfluß[2] ist für alle Flächen gleich: | |
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"Doppelte Fläche [math]\Rightarrow[/math] Halbe Feldstärke" |
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[math]A=4 \pi r^2[/math] |
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Feldstärke und felderzeugende Ladung
Wieder kann man im Falle der magnetischen Ladungen relativ einfach messen. Dazu verdoppeln wir die felderzeugende Ladung des Stabmagneten, indem wir einen zweiten parallel dazu befestigen. Jetzt messen wir wieder die Kraftwirkung auf den Probenordpol.
Wir stellen fest: Bei der doppelten felderzeugenden Ladung ist die Kraftwirkung und somit auch die Feldstärke doppelt so groß!
Die Ladung beschreibt die Quellenstärke des Feldflußes, also "wieviele" Feldlinien aus der Ladung herauskommen.
Dieser Zusammenhang gilt auch für das schwere und das elektrische Feld. Der Mond hat z.B. nur ca. 1/81 der Erdmasse. Vergleicht man die Gravitationswirkung des Mondes mit jener der Erde im gleichen Abstand, so ist die Gewichtskraft im Mondfeld nur 1/81 der Erd-Gewichtskraft. Vergleicht man die Wirkungen auf der Erd- und Mondoberfläche, so ist das Verhältnis nicht 1:81, weil der Mondradius viel kleiner als der Erdradius ist!
Die Feldstärke eines Zentralfeldes ist proportional zur Ladung des Zentralkörpers:
"Doppelte Ladung [math]\Rightarrow[/math] Doppelte Feldstärke" |
Feldfluß, Quellenstärke und Feldkonstanten
Die beiden Zusammenhänge zwischen Feldstärke und Flächeninhalt einerseits und Feldstärke und Ladung andererseits kann man nun zusammenfassen. Am Beispiel für das elektrische Feld:
- [math] E \sim \frac{Q}{A}[/math]
Normalerweise fügt man nun an der rechten Seite der Gleichung eine Proportionalitätskonstante ein. Es hat sich aber eingebürgert, sie auf der linken Seite einzufügen.
- [math]\epsilon_0 \, E = \frac{Q}{A}\qquad \Leftrightarrow \qquad \epsilon_0 \, E \, A = Q[/math]
Die sogenannte "elektrische Feldkonstante" [math]\epsilon_0[/math] beschreibt, wie die Einheiten der drei Größen zusammenhängen: Bei einer Feldstärke von 1 N/C und einer Oberfläche von 1m2 beträgt die von der Fläche umschloßene Ladung [math]8{,}85 \cdot 10^{-12} \mathrm C[/math].[3]
Dies ist nun die Präzisierung, die wir gesucht haben! Anstatt zu sagen, dass die Feldlinien dicht liegen beschreiben wir das mit einem großen Feldfluß durch die Fläche. Den Fluß des elektrischen Feldes legen wir als [math]\epsilon_0 \, E \, A[/math] fest[2]. Die Ladung gibt die Quellenstärke des Feldes an.
Für schwere und magnetische Felder läßt sich das Ergebnis ebenso zusammenfassen:
Der Fluß[2] eines Zentralfeldes durch eine Feldfläche entspricht der von der Fläche umschlossenen Ladung, welche die Quellenstärke angibt:
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Abstandsgesetze und Quellenstärke
Die Beschreibung der Quellenstärke des Gravitationsfeldes unterscheidet sich von der des elektrischen und magnetischen Feldes. Das hat historische Gründe. Für die Beschreibung der Planetenbahnen formulierte Isaac Newton 1686 das Abstandsgesetz, welches beschreibt wie stark zwei Körper bei gegebenen Massen m, M und gegebenem Abstand r angezogen werden:
- [math]F \sim \frac{m\, M}{r^2}\quad \Leftrightarrow \quad F = G \, \frac{m\, M}{r^2}[/math]
Newton hatte noch nicht den nötigen experimentellen Aufbau, um die Gravitationskonstante G zu messen, das gelang erst Henry Cavendish etwa 100 Jahre später.
Betrachtet man den Körper mit der Masse m als den felderzeugenden und den anderen mit der Masse M als Probekörper, so läßt sich eine Aussage über die Feldstärke machen:
[math] \begin{array}{rrcll} & F &=& G \, \frac{m\, M}{r^2} & | \, \mathopen: \, M \\ \\ \Rightarrow & \frac{F}{M} &=& G \, \frac{m}{r^2} \\ \\ \Rightarrow & g &=& G \, \frac{m}{r^2} \end{array} [/math]
Die Gravitationsfeldstärke ist also proportional zur felderzeugenden Masse und antiproportional zum Quadrat des Abstandes.
Um eine Beschreibung mit dem Feldfluss zu haben, muss man die Gleichung nach der felderzeugenden Masse m auflösen und etwas "künstlich" mit [math]4\, \pi[/math] erweitern:
[math] \begin{array}{rrcll} & g &=& G \, \frac{m}{r^2} & | \, \mathopen: \, G \ \cdot r^2 \\ \\ \Rightarrow & \frac{r^2}{G}\, g &=& m \\ \\ \Rightarrow & \frac{4\, \pi \, r^2}{4\, \pi\, G}\, g &=& m \\ \\ \Rightarrow & \frac{A}{4\, \pi\, G}\, g &=& m \\ \end{array} [/math]
Quellenstärke und Feldfluß für beliebige Felder
Die Beschreibung von Ladung als Quellenstärke läßt sich auch auf beliebige Ladungsverteilungen erweitern.
Auch die Flächen können beliebige, geschlossene Flächen sein. Dadurch kann die Feldstärke an unterschiedlichen Stellen der Flächen unterschiedlich groß sein. Außerdem kann der Fluß "schräg", also nicht senkrecht durch die Fläche fließen.
Diese Verallgemeinerungen werden am besten anhand von Beispielen klar.
Homogenes Feld eines Kondensators / Ringmagneten
Zwischen zwei geladene Flächen mit dem Flächeninhalt [math]A[/math] und Ladungsmenge [math]Q[/math] befindet sich ein (elektrisches oder magnetisches) Feld. Das Ziel ist es, die Feldstärke zu bestimmen.
Bei einem idealisierten Kondensator oder Ringmagneten befindet sich das Feld ausschließlich zwischen den Ladungen. Es ist homogen in Richtung und Stärke. Die Abweichung dieser Idealisierung erkennt man in der Zeichnung an den nach Außen gebogenen Feldlinien und der nicht gleichmäßigen Dunkelheit.
Die Feldstärke hängt direkt mit dem Fluß zusammen, also muß man geeignete Flächen finden, welche die Ladungen umschließen.
Dazu legt man um die positiv geladene Platte und um die negativ geladene eine Fläche (S. Zeichnung). Bei der negativen Ladung laufen die Feldlinien in die Fläche hinein (negativer Fluß), die Ladung ist negativ. Bei der positiven Ladung laufen die Feldlinien heraus (positiver Fluß), die enthaltene Ladung ist positiv.
Will man nun den Fluss durch eine dieser Flächen bestimmen, so sieht man, dass der Fluss durch die Rückseite AR und die Seitenfläche AS(geht einmal um die Ladung herum) verschwindet. Denn auf der Rückseite ist kein Feld mehr und die Seitenflächen sind sehr klein. Der gesamte Fluss geht durch die Vorderfläche durch:
- [math]\epsilon_0 \, E \, A + \epsilon_0 \, E_S \, A_S +\epsilon_0 \, E_R \, A_R = \epsilon_0 \, E \, A + \epsilon_0 \cdot E_S \cdot 0 +\epsilon_0 \cdot 0 \cdot A_R = \epsilon_0 \, E \, A [/math]
Damit haben wir den wichtigen Zusammenhang von Ladungsmenge und Feldstärke eines Kondensators gefunden:
Für einen idealen Kondensator/Ringmagneten mit den Plattenflächen A und den Ladungen Q+ und Q- gilt:
Die Feldstärke hängt nur von der Flächenladungsdichte ab, nicht vom Abstand der Platten! |
Feld eines geladenen langen Drahtes (Zylinderfeld)
Der Draht habe die Länge l und sei mit der Ladung Q geladen.
Man legt eine Zylinderfläche um den Draht, die aus Symmetriegründen auch Feldfläche ist. Die kreisförmigen Abschlüsse des Zylinders vernachlässigt man, weil man von einem relativ langen Draht ausgeht und die Flächen somit im Vergleich zur Mantelfläche sehr klein sind. Der elektrische Fluss durch diese Flächen "ist Null".
Nun gilt:
- [math]A=2\pi \, r \, l[/math] (Mantelfläche des Zylinders)
- [math]E=\frac{1}{\varepsilon_0} \, \frac{Q}{A} = \frac{1}{\varepsilon_0} \, \frac{Q}{2\pi r l}[/math]
- [math]E=\frac{1}{\varepsilon_0 2\pi \, l} \, \frac{Q}{r}[/math]
Die Feldstärke nimmt also nur proportional zu [math]\frac{1}{r}[/math] ab und nicht wie beim Zentralfeld proportional zu [math] \frac{1}{r^2}[/math]!
Man sagt, das Feld hat eine größere Reichweite.[4]
Allgemeine Beispiele
Die Fläche, durch die der Feldfluss fließt, kann man verallgemeinern:
- Man kann beliebige Äquipotentialflächen verwenden.
- Man kann sogar beliebige, geschlossene Flächen verwenden.
- Bei einer nicht konstanten Feldstärke entlang der Fläche rechnet man mit der mittleren Feldstärke [math]\bar E[/math] senkrecht zur Fläche.
Das läßt sich gut an einem Beispiel verdeutlichen. Die umschlossene Ladungsmenge und die mittlere Feldstärke auf der gewählten Fläche hängen direkt zusammen. Je nach Wahl der Fläche lassen sich verschiedene Aussagen machen.
- A1: Die mittlere Feldstärke entspricht einer positiven Ladung.
- A2: Die mittlere Feldstärke ist Null, die Fläche enthält keine Ladung.
- A3: Die mittlere Feldstärke enstpricht einer negativen Ladung.
Nimmt man die vereinfachte Vorstellung der Linienanzahl als Feldfluß, so kann man zählen, wieviele Linien in die Flächen senkrecht hinein oder herauslaufen.
- Bei A2 laufen genausoviele hinein wie hinaus.
- Bei A3 laufen sechs Linien hinein.
- Bei A1 laufen sechs Linien heraus.
Will man den Fluß berechnen, so kann man die Fläche A2 in Teilflächen zerlegen, die parallel oder senkrecht zu den Feldlinien verlaufen. Der Fluß durch die parallel liegenden Teilflächen beträgt Null. Der Fluß durch die orthogonalen Feldflächen läßt sich als [math]\epsilon_0 \, E \, A[/math] bestimmen.
Bei den Flächen A1 und A3 fließt der Fluß schräg durch die Fläche und die Stärke ist auch nicht konstant. In diesen Fällen muss man den orthogonalen Anteil des Flusses bestimmen, was man mit dem Skalarprodukt macht. Um die sich ändernde Feldstärke zu berücksichtigen, zerlegt man die Fläche in viele, kleine Teilflächen. Das heißt man integriert über die Fläche.
Der Feldfluß durch eine geschlossene Fläche ist gerade die umschlossene Quellenstärke: \begin{array}{rcl} \frac{1}{4 \pi \, G} \, \bar g \, A &=& m \\ \epsilon_0 \, \bar E \, A &=& Q \\ \mu_0 \, \bar H \, A &=& Q_m \end{array} |
Auf diese elegant formulierte Art wird eindrücklich klar, dass die Ladungen Quellen und Senken des Feldes sind. Es ist eine verallgemeinerte Version der Feldstärke des Zentralfeldes.
- Man kann bei bekannter Ladungsmenge die mittlere Feldstärke durch eine Fläche bestimmen.
- Man kann bei bekannter mittlerer Feldstärke durch eine geschlossene Fläche auf die Ladung innerhalb der Fläche rückschließen.
Fußnoten
- ↑ Je weiter entfernt der Südpol vom Nordpol ist, desto mehr ähnelt das Feld in der Nähe des Nordpols einem Zentralfeld.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Der Fluß der Feldstärke ist eigentlich nur [math]g\, A[/math] oder [math]E\, A[/math] oder [math]H\, A[/math], also das Produkt aus Feldstärke und Fläche. Damit ist die Feldstärke identisch mit der Flußdichte eines Feldes. Aber in der Physik hat sich für [math]\epsilon_0 \,E \, A[/math] und [math]\mu_0 \,H \, A[/math] der Begriff des elektrischen bzw. des magnetischen Flußes eingebürgert. Das ist eine der vielen Stolperfallen in den Bezeichnungen, die sich historisch so entwickelt haben.
- ↑ Zur Messung von [math]\epsilon_0 =\frac{Q}{E \, A}[/math] muss man die elektrische Ladung des Zentralkörpers messen, sowie die Feldstärke mit einem Probekörper und den Inhalt der Feldfläche, also im wesentlichen den Abstand. Das gleiche Verfahren kann man beim Gravitationsfeld anwenden. Man verwendet eine Gravitationsdrehwaage. Beim magnetischen Feld kann man die magnetische Ladung erst nach einer praktikablen Definition der magnetischen Feldstärke messen. Dann ist die Messung der magnetischen Feldkonstante einfach durchführbar.
- ↑
Für das Potential ergibt sich eine interessante Folgerung. Da es die Aufleitung (Stammfunktion) der Feldstärke ist, hat das Potential die Form:
- [math]\varphi(r)=\mathrm{c} \cdot \ln(r) [/math]