Messunsicherheit und Fehlerrechnung

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Wie lang ist das Zimmer?

Zunächst schätzen wir die Länge.

Zur Messung verwenden wir Zollstöcke. Jedes Messergebnis wird in gerundeten Zentimetern angegeben, genauer geht es mit einem Zollstock nicht.

Hier die Rohdaten:


Manche Längen kommen häufiger vor als andere, hier die sortierte Liste mit der Anzahl der Häufigkeiten:


Und das entsprechende Häufigkeitsdiagramm:


Auffällig ist, dass Werte abseits des Mittelwertes weniger häufig auftreten. Bei einer Messung treten also oft Werte um den Mittelwert auf. Es ist deshalb naheliegend, den Mittelwert der Messwerte als vermutliche Länge des Zimmers zu nehmen:


Aber wie genau ist nun unsere Messung? Auf den Millimeter? Oder doch nur +/- einen Zentimeter?

Als Qualitätsmerkmal einer genauen Messung kann man die "Breite" der graphischen Darstellung annehmen. Je schmaler der Berg, desto besser die Messung.

Als Messfehler kann man nun eine Abweichung vom Mittelwert wählen, sodass bei einer erneuten Messung der Wert zu 50% oder zu 75% oder zu 90% oder zu 99% innerhalb des Abweichungsbereichs liegt. Die Wahrscheinlichkeit mit der ein Messwert innerhalb der Fehlerschranken liegt (das "Vertrauensniveau") kann man also wählen. Häufig liegt sie bei 67%.

(Bei einem Vertrauensniveau von 90% liegen 5% aller Werte unterhalb vom sogenannten Quantil [math]Q_{0.05}[/math] und 5% oberhalb vom Quantil [math]Q_{0.95}[/math] )

Systematische und zufällige Messfehler

  • Jede Messung ist nur eine Annäherung an den wahren Wert einer Größe.
  • Dabei entstandene Messfehler teilt man in systematische und zufällige Fehler ein.
Bei zufälligen Fehlern geht man davon aus, dass die Messwerte um den korrekten Wert schwanken. Bei einem systematischen, z.B. durch einen falschen Versuchsaufbau verschieben sich die gemessenen Werte um einen Betrag. Sie sind schwer zu korrigieren. Zufällige Fehler werden durch Schwankungen der Messgröße, der Messgeräte, der Umwelt, durch den Beobachter etc. verursacht. Sie sind unvermeidbar, können aber abgeschätzt und durch Wiederholung verringert werden. Dazu verwendet man die Statistik.

Angabe von Messfehlern

  • Als absolute Angabe mit Einheiten: [math]l=2m (\pm 0,01m) \qquad \qquad l = l_0 \pm \Delta l[/math]
  • Als relative Angabe ohne Einheiten: [math]l=2m (\pm 0,05)(\pm 5 \%) \qquad (\pm \frac{\Delta l}{l})[/math]
  • Mit Hilfe von geltenden Ziffern, wobei nur die letzte Ziffer fehlerbehaftet ist: [math]l=2,000m[/math]

Statistische Beurteilung von zufälligen Fehlern

  • Dazu müssen eine möglichst große Anzahl von [math]N[/math] Messungen der gleichen Größe [math]x[/math] durchgeführt werden.
Gaußsche Glockenkurve
  • Häufig kann man annehmen, dass der Messwert normalverteilt ist, die Häufigkeiten also der Gaußschen Glockenkurve entsprechen. (Das liegt daran, dass eine zufällige Größe, die von sehr vielen voneinander unabhängigen Einflüssen abhängt, normalverteilt ist. (Sogenannter "zentraler Grenzwertsatz"))
  • Der Verlauf der Kurve und damit die Messwerte werden durch die Angabe des Mittelwerts ([math]\bar x[/math]) und der Standardabweichung ([math]s[/math] oder [math]\sigma[/math]) vollständig festgelegt. Der Mittelwert gibt den Ort des Maximums an, die Standardabweichung gibt die Stellen der Wendepunkte an.
[math]\bar x = \frac{\sum_{i=1}^N x_i}{N} \qquad \sigma = s = \sqrt{\frac{\sum_{i=1}^N (\bar x - x_i)^2}{N-1}}[/math]
Gausskurve mit Vertrauengrenzen
  • Die Standardabweichung der Messwerte gibt an, wie genau die Messungen waren. Kleine Abweichung = Genaue Messung. Man kann damit auch die Wahrscheinlichkeit angeben, dass ein Messwert innerhalb eines Bereichs liegt.
Maximale absolute Abweichung | Vertrauensniveau
            s                |    68% (ca. 2/3)
          2 s                |    95%
        2,5 s                |    99%
  • Für das Gesamtergebnis ist aber nicht der einzelne Messwert, sondern der Mittelwert der N Messwerte interessant. Dies berücksichtigt dann auch die Tatsache, dass der Mittelwert immer weniger unsicher wird, je mehr Messungen durchgeführt werden!
Für den Mittelwert gibt es auch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung mit einer anderen Glockenkurve. Daraus ergibt sich die Standardabweichung des Mittelwertes [math]s_M[/math]. Sie ergibt eine Abschätzung für den Fehler des Mittelwertes und wird als Fehler der Messung angegeben.
[math]s_M = \frac{s}{\sqrt{N}}[/math]
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 68% liegt also der Mittelwert der N Messungen im Bereich [math]\bar x \pm s_M[/math].


Beispielmessung einer Raumgröße

Die Länge eines Raumes wird von 12 Personen je einmal mit Hilfe eines Zollstocks gemessen.

Messergebnisse in Metern:
10,5  | 11,04  | 11,06 | 11,09 | 11,07  | 11,09 |
11,05 | 10,7   | 11,07 | 11,00 | 11,045 | 11,64 |
Mittelwert: 11,03 m
Standardabweichung der Messwerte:   0,265 m
Standardabweichung des Mittelwerts: 0,077 m
Endergebnis: l = 11,03 m (+- 7,7 cm)

Statistik-Auswertung mit dem GTR (TI-83)

Die Auswertung erfolgt in den folgenden Schritten:

  • Eingabe der Daten mit STAT -> 1:Edit in die Listen L1, L2,...
  • Berechnung und Anzeige von Werten mit STAT -> CALC -> 1: 1-Var Stats. Möchte man mehrere Listen bearbeiten, so gibt man z.B. 1-Var Stats L2 für die zweite Liste ein.
Dabei ist Sx die Standardabweichung einer Stichprobe, die man benötigt, [math]\sigma x[/math] ist die Standardabweichung der Grundgesamtheit, die wir hier nicht benötigen.
  • Berechnung der Standardabweichung des Mittelwertes ist im Rechenfenster möglich, indem man Sx durch die Wurzel der Anzahl der Messungen teilt.
Will man Sx nicht abtippen, so kann man aus dem Variablenmenü VARS -> 5:Statistics -> 3: Sx wählen. Dort findet man auch Variablen für die Anzahl der Eingaben und den Mittelwert usw.
  • Graphische Anzeigemöglichkeiten hat man zB. durch die Darstellung der Werte in einem Histogramm.
    • In STAT PLOT -> 1:Plot1 stellt man die Anzeige auf On und wählt den Typ mit dem Balkendiagramm. Als Xlist wählt man L1.
    • Mit GRAPH erhält man nun eine Darstellung der Häufigkeiten in einem Balkendiagramm.
    • Eventuell muss man mit Hilfe von WINDOW oder ZOOM die Fenstergröße sinnvoll einstellen.

Fehlerfortpflanzung

  • Häufig werden eine oder mehrere fehlerbehaftete Ergebnisse verwendet, um ein Gesamtergebnis zu berechnen, das natürlich auch fehlerbehaftet ist. Man spricht von Fehlerfortpflanzung.

Summen und Differenzen

  • Die absoluten Fehler addieren sich.

Beispiel: Es wird die Dicke eines Blatt Papiers zu [math]0,2 mm (\pm 0,01mm)[/math] bestimmt. Für die Dicke von 50 Blättern ergibt sich: [math]10mm (\pm 0,5 mm)[/math]

Produkte und Quotienten

  • Die relativen Fehler addieren sich.

Beispiel: Zur Bestimmung der Geschwindigkeit wurde die Strecke und die Zeit gemessen:

[math]s = 5 m (\pm 0,01 m) (\pm 0,002) (\pm 0,2\%)[/math]
[math]t = 2 s (\pm 0,1 s) (\pm 0,05) (\pm 5\%)[/math]
[math]v=\frac{s}{t}= 2,5 m/s (\pm 0,052)(\pm 5,2\%)[/math]

Aus dem relativen Fehler ist es nun auch möglich wieder den absoluten Fehler zu berechnen.

Potenzen und Wurzeln

  • Die relativen Fehler werden mit der Potenz gewichtet und addiert.

Beispiel: Bestimmung der Periodendauer eines Pendels.

[math]T = 2\Pi \frac{\sqrt{l}}{\sqrt{g}} = 2\Pi \frac{l^{1/2}}{g^{1/2}}[/math]
[math]l = 0,6m (\pm 0,1\%)[/math]
[math]g = 9,81 m/s^2 (\pm 0,01\%)[/math]

Die relativen Messfehler werden nun mit 1/2 gewichtet (multipliziert) und addiert:

[math]T = 1,5539 s (\pm 0,055\%)[/math]

In diesem Fall ist also der Gesamtfehler kleiner als der größte Einzelfehler!

Literatur

  • Walcher, Wilhelm; Praktikum der Physik - Stuttgart : Teubner, 1994. - 415 S. : ISBN 3-519-13038-6 (LB 85/205 = Lehrbuchsammlung II, Institutsviertel)


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