Wechsel des Bezugssystems (Inertialsysteme)

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Beispiele

Ein und dieselbe Situation kann für verschiedene Personen aus ihrem Blickwinkel ganz unterschiedlich beschrieben werden.

  • Eine Beschreibung der Orientierung (Rechts, Links) ist relativ zu der vorgegeben Richtung, aus der ich auf die Situation schaue.
  • Beschreibt man die Lage (Oben, Unten) bezieht man sich auf die eigene Höhe. Bei einer Höhenangabe muss man deshalb wissen zu welchem Bezugspunkt gemessen wurde, oft ist es die Höhe über dem Meeresspiegel. Wo auf der Erde Oben und wo Unten ist, muss man aber nicht erklären, denn ein Stein fällt immer nach Unten.
  • Auch eine Ortsangabe macht nur relativ zu einem Bezugspunkt und einer vorgegebenen Richtung Sinn. ("50 km nördlich von Freiburg.")
  • Ebenso ist die Angabe der Geschwindigkeit nur sinnvoll in Bezug auf eine bestimmte Umgebung. In der Regel ist dies die Erde, fährt man aber in einem Zug kann man sie auch relativ zum Zug angeben.

Die mathematische Beschreibung eines Bezugssystems besteht deshalb aus einem Ausgangspunkt und vorgegebenen Richtungen im Raum. Meistens ist dies ein kartesisches Koordinatensystem mit drei zueinander rechtwinkligen Achsen. Bei runden Objekten wie der Erde, bieten sich auch runde Koordinatenachsen an. Im Falle der Positionsangabe auf der Erde mit Längen- und Breitengraden.

Wenn also eine Situation so verschieden beschrieben werden kann, dann stellen sich weitere Fragen:

  • Ist die Beschreibung in einem Bezugssystem "richtiger" als die Beschreibung in einem anderen?
  • Welche Eigenschaften werden unterschiedlich beschrieben und welche Eigenschaften sind immer gleich?
  • Wie kann man die Beschreibung von einem in ein anderes Bezugssystem umrechnen?

Bezugssysteme mit konstanter Relativgeschwindigkeit

Fährt man in einem Zug mit konstanter Geschwindigkeit, so laufen alle Vorgänge wie im Stillstand ab. Man kann einen Ball werfen und fangen oder auf den Tisch legen und im Zug herumlaufen. Auch eine hohe Geschwindigkeit beeinflusst diese Bewegungen nicht, wir spüren lediglich die Erschütterungen des Wagens durch Unebenheiten der Schiene oder der Räder. Die Erschütterungen werden aber von Veränderungen der Geschwindigkeit hervorgerufen, bei einer ideal glatten Schiene könnten wir keine Veränderung zum Stillstand wahrnehmen.

Auch bei einer Fahrt mit dem Aufzug macht man diese Beobachtung. Nach kurzer Zeit hat der Aufzug auf eine konstante Geschwindigkeit beschleunigt. Nun fühlt sich das eigene Körpergewicht wieder "normal" an, ebenso laufen alle anderen Vorgänge exakt wie im Stillstand ab.

Durch die Rotation der Erde und der Bewegung der Erde um die Sonne bewegen wir uns, auch wenn wir einfach nur Sitzen, im Bezugssystem der Sonne mit einer sehr großen Geschwindigkeit. Weil sich die Geschwindigkeit aber nur langsam verändert[1], spüren wir davon nichts.

In zwei Bezugssystemen, die sich zueinander mit einer konstanten Geschwindigkeit (in Betrag und Richtung) bewegen, treten die gleichen Kräfte auf.

Je nach Bezugssystem unterscheiden sich nur die Beschreibung der Orte und Geschwindigkeiten.

Zueinander linear beschleunigte Bezugssysteme

Beim Losfahren im Bahnhof beschleunigt der Zug und wir spüren wie wir nach hinten in den Sitz gedrückt werden. Der Sitz fängt uns aber auf und drückt uns nach vorne, sodass wir auf unserem Platz bleiben. Dabei wird sich der Sitz leicht verformen. Aus unserer Sicht hat sich unser Impuls beim Losfahren nicht verändert, er beträgt nach wie vor Null.[2]
Vom Bahnsteig aus betrachtet, sieht man, wie der Sitz uns nach vorne schiebt, weswegen unser Impuls auch zunimmt. Man kann auch beobachten, wie der Sitz verformt wird, eine Kraft, die uns in den Sitz drückt, können wir dagegen nicht beobachten.

Bremst der Zug vor dem nächsten Halt ab, so spüren wir, wie wir nach vorne gedrückt werden. Sind wir mit dem Sitz gut verbunden oder halten uns am Sitz des Vordermanns fest, so wird der Sitz uns nach hinten drücken und uns so wieder am Platz halten. Dabei hat sich unser Impuls wieder nicht verändert, wir und der Sitz wurden nur einmal kurz zusammengedrückt.
Vom Bahnsteig aus nimmt man wahr, wie unser Impuls sinkt, durch die Kraft, mit dem der Sitz entgegen der Fahrtrichtung auf uns drückt. Auch die Verformung des Sitzes sieht man. Die Kraft, mit der wir vom Sitz gezogen werden, kann man nicht beobachten.

Bei dieser Animation sind die Angriffspunkte der Kraftpfeile die Pfeilspitzen und nicht, wie sonst üblich, die stumpfe Seite:

Ein weiteres Beispiel ist das Abbremsen beim Fahrradfahren: Aus der eigenen Sicht wird man nach vorne auf den Lenker gedrückt. Der Lenker hält einen aber fest, indem er in die entgegengesetzte Richtung drückt.

Aus Sicht des beschleunigten Systems werden wir beim anfahrenden Zug von der Trägheitskraft in den Sitz gedrückt, beim bremsenden Fahrrad drückt uns die Trägheitskraft auf den Lenker. Die Kraft, mit der uns der Sitz in den Rücken drückt, und die Kraft, mit welcher der Lenker gegen uns drückt, nehmen wir aber sowohl im beschleunigten System als auch im ruhenden System war!

Im beschleunigten System, bei dem die Geschwindigkeit sich in Größe oder Richtung verändert, wirkt eine "Trägheitskraft" entgegen der Beschleunigungsrichtung. Diese Trägheitskräfte wirken, wie die Gravitation, am gesamten massebehafteten Gegenstand. Im "ruhenden" Bezugssystem gibt es diese Trägheitskraft nicht, hier kann man nur die beschleunigende Kraft feststellen. Aus Sicht des nichtbeschleunigten Systems wirken Kräfte, welche die Beschleunigung verursachen: Das Auto schiebt uns nach vorne, der Gurt bremst uns.

Beschreibt man einen Vorgang in zwei zueinander beschleunigten Systemen, so unterscheidet sich die Beschreibung der wirkenden Kräfte!

Zueinander drehende Bezugssysteme

Zentrifugalkraft

Hier lautet die klassische Frage: Was ist der Unterschied zwischen Zentrifugal- und Zentripetalkraft? Oder: Gibt es die Zentrifugalkraft überhaupt oder ist sie eine "Scheinkraft"? Die Antwort ist: Es gibt die Zentrifugalkraft, aber nur, wenn man sich auf den sich drehenden Gegenstand setzt und möchte, dass weiterhin das Newtonsche Trägheitsgesetz gilt.

Drehbewegungen kann man von Innen beobachten, wie jemand, der mit dem Auto (Zug, Fahrrad) eine Kurve fährt oder aber, vom Bürgersteig aus, von Außen.

Aus Sicht der FahrerIn wird sie in der Kurve von der Zentrifugalkraft nach Außen gedrückt und der Sitz oder die Tür des Autos drückt in die entgegengesetzte Richtung. Die Person ändert ihren Impuls während der Kurvenfahrt nicht. Sie wird nur zusammengedrückt.

Die Person auf dem Bürgersteig sieht, wie das Auto gegen die FahrerIn drückt und diese Zentripetalkraft sie somit auf einer Kreisbahn hält. Dabei ändert sich der Impuls der Person ständig.

Die Zentripetalkraft kann man also immer beobachten, die Zentrifugalkraft nur im sich drehenden System! (Niemand hat das besser gezeigt als Stanley Kubrik in "2001 Odysse im Weltraum".)

Das sieht man auch bei dieser Animation: Ein Mann sitzt an einem sich drehenden Tisch und hält einen Ball fest.

(Nach dem Lehrfilm Frames of Reference des "Physical Science Study Committee", MIT, 1960 (ab 17:03))

Auch die Kraftwirkung auf ein sich drehendes Rotorblatt einer Windenergieanlage kann man von Außen oder aus der Sicht des Rotorblattes betrachten. Das ist in der Animation Windenergieanlage dargestellt.

Corioliskraft

Bei den Überlegungen zur Zentrifugalkraft war der betrachtete Gegenstand gegenüber der Drehbewegung in Ruhe. (Zum Beispiel die AutofahrerIn.) Komplizierter wird es, wenn sich auf einem sich drehenden Gegenstand etwas bewegt.

Diese Animation eines sich drehenden Tisches zeigt die Problematik. Aus der Sicht der mitbewegten BeobachterIn rollt ein Ball ohne sichtbare Einwirkung nicht mehr geradeaus! Damit das Trägheitsgesetz, nach dem ja ohne Krafteinwirkung der Impuls in Stärke und Richtung unverändert bleibt, noch gilt, muß man annehmen, dass eine Kraft diese Änderung hervorruft. Diese Kraft setzt sich aus der Zentrifugalkraft und der sogenannten Corioliskraft zusammen. Beide Kräfte beobachtet man nur im sich drehenden Bezzugssystem.

Mit dieser Animation kann man zusätzlich den Wurf des Balles beeinflussen.

Inertialsysteme und Impulserhaltung

Gibt es eine Wechselwirkung zwischen zwei Gegenständen, so verändern sich die Impulse der Körper: Zum Beispiel wird einer schneller und erhält Impuls, der andere langsamer und verliert Impuls. Als Mittler zwischen den Körpern kann es eine direkte materielle Verbindung, wie eine Stange oder ein Seil oder aber ein Feld geben.

Das dritte Newtonsche Gesetz sagt nun, dass die Summe der Impulse immer gleich bleibt. Wie sieht das in verschiedenen Beispielen aus?

Freier Fall

Fällt der berühmte Apfel vom Baum, dann deshalb, weil die Erde und der Apfel über das Gravitationsfeld wechselwirken.

Nimmt man die Erde als Bezugssystem, so nimmt der Impuls des Apfes während des Falls ständig zu, während die Erde überhaupt keinen Impuls hat. Denn das Bezugssystem, also die Erde, ist definitionsgemäß in Ruhe. Somit gilt die Impulserhaltung also nicht.

Aus Sicht des Apfels erhält die Erde während des Falls eine riesige Menge an Impuls aus dem Nichts und der Impuls ist natürlich nicht erhalten.

Nimmt man aber den gemeinsamen Schwerpunkt von Erde und Apfel als Bezugssystem, so beschleunigt die Erde minimal in Richtung Apfel und erhält während des Falls die gleiche Impulsmenge wie der Apfel, nur in der anderen Richtung. Die Impulssumme ist also erhalten!


BAUSTELLE!!

Wind und Wolken auf der Erde nicht geradlinig! Nord- und Südhalbkugel unterschiedlich. Weil die Erde rotiert, ist sie kein Inertialsystem. Betrachtet man aber die Erde "von Außen" als sich drehende Kugel, kann man die Abweichung der Winde ohne Corioliskraft erklären. Man hat wieder ein Inertialsystem. Durch die Drehung der Erde um die Sonne wird man aber bei genauer Messung wieder Abweichungen finden. Nimmt man die Sonne als Bezugspunkt hat man ein ziemlich gutes Inertialsystem.

1.Newtonsches Gesetz lautet also: Es gibt ein Inertialsystem.



kann man die Kraftwirkung an Verformungen erkennen oder Messen. Trägheitskräfte sind dagegen von gleicher Art wie die Gewichtskraft: Die Übertragung der Kraft geschieht nicht durch einen verformten Gegenstand. Interpretiert man die Gewichtskraft deshalb als Trägheitskraft, so kann man mit der allgemeinen Relativitätstheorie die Gravitation als Krümmung der Raumzeit erklären.

Durch die Unterscheidungsmöglichkeit der Trägheitskräfte von anderen Kräften, (??? Nicht zur Gravitation!!) kann man Bezugssysteme finden, in denen keine Trägheitskräfte wirken. Solche Systeme heißen Intertialsysteme.

Fußnoten

  1. Es ändert sich nämlich ständig die Richtung der Geschwindigkeit.
  2. Generell habe ich immer keinen Impuls, wenn ich mich selbst als Bezugssystem setze, weil ich mich ja relativ zu mir nicht bewege.

Links

Bezugssysteme mit konstanter Geschwindigkeit

Beschleunigte Bezugssysteme

Drehende Bezugssysteme

Der Coriolis-Effekt

Aufzug fahren

Kunstflug